Das Kieler Carillon wurde 1999 errichtet. In der Kieler Innenstadt stand wenig beachtet der funktionslos gewordene Turm der im Kriege völlig vernichteten Klosterkirche, einer mittelalterlichen Stiftung des Stadtgründers aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Die leere Glockenstube dieses Turmes an dem für die Stadt bedeutenden Gründungsort sollte das Glockenspiel aufnehmen und im Blick auf den Millenniumswechsel im Gedenken an das Vergangene ein versöhnliches Zeichen setzen. Der Gedanke berührte viele. Nach zweijähriger Vorbereitung waren für alle geplanten Glocken Spender gefunden. Es beteiligten sich Kieler Bürgerinnen und Bürger, Institutionen und Firmen. Die Spendenbreitschaft war so groß, dass die Zahl der Glocken auf 44 erhöht wurde. Durch eine 2005 erfolgte Erweiterung um fünf Glocken im oberen Tonbereich (f5 bis a5) erreicht das Instrument mit vollen vier chromatischen Oktaven internationalen Standard. Auch diese Erweiterung ermöglichten großzügige Spender.
Das Instrument umfasst damit 50 Bronzeglocken in der Tonfolge von g1- a1 bis a5 mit Gewichten von 620 bis 15 kg und einem Gesamtgewicht von 4135 kg. Als Bourdonglocke dient eine Läuteglocke, die als einzige den Zweiten Weltkrieg in einem Turm überdauert hat, alle übrigen wurden neu gegossen.
Die Glocken wurden in der Karlsruher Glocken- und Kunstgießerei gegossen, den Gesamtbauauftrag erhielt die Firma Otto Buer, Neustadt/Holstein. Der Spieltisch befindet sich im Stockwerk unterhalb der Glockenstube. Daneben besteht eine computergesteuerte Glockenspielsteuerungsanlage, die das automatische Spiel ermöglicht.
Das Instrument wird regelmäßig am ersten Sonnabend eines jeden Monats durch den Kieler Carillonneur Dr. Gunther Strothmann oder andere Carillonneure bespielt. Strothmann wurde im Januar 1999 vom Nordelbischen Kirchenamt ernannt. Die Konzerte sind in ihrem Programm der Jahreszeit, einem besonderen Ereignis in der Stadt oder einem bestimmten Thema gewidmet. Der christliche Choral ist ein Kernstück der Kieler Carillonmusik. Die Sommerkonzerte – unter dem Titel „Glockensommer“ beworben – bestreiten meist internationale Gastcarillonneure. Verbunden mit den Konzerten werden Führungen angeboten, durch welche die erhaltenen Räume des Klosters und der stadtgeschichtliche Klostergarten mit den Denkstätten des Stadtgründers erschlossen und vor allem das Carillon gezeigt und erklärt werden.
Nach dem Geläut der Klosterglocke erklingt zudem um 12, 15 und 18 Uhr ein automatisches Spiel. Das Programm wechselt nach der Jahreszeit und berücksichtigt das Kirchenjahr. Der Choral „Verleih uns Frieden“ ist nach dem Mittagsgeläut fester Bestandteil. Er erklingt als Kennmelodie auch zur Eröffnung jedes Konzerts.
Einweihung des Kieler Carillon – 1999
Das Kieler Carillon hat viele Freunde. Unser Bemühen ist darauf gerichtet, das kostbare Instrument öffentlich zu präsentieren, um seinen Fortbestand zu sichern. Wes Geistes Kind das Glockenspiel auf dem ehrwürdigen Klosterturm ist, mag der Text der Erinnerungstafel aus Anlass der Stiftung andeuten:
„Hier im Turm der im Kriege vernichteten mittelalterlichen Klosterkirche aus der Zeit der Stadtgründung um 1242 haben Kieler Bürgerinnen und Bürger, Institutionen und Firmen im Jahre des Herrn 1999 ein Glockenspiel errichtet und am 18. September 1999 eingeweiht. An ehrwürdiger Stätte, zugleich einem Ort der Mahnung und des Gedenkens, sollen zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen Glocken erklingen, um ein Zeichen der Versöhnung und der Hoffung auf Frieden für ein von Gott gesegnetes Zusammenleben aller Menschen zu setzen.“
Gunther Strothmann
Klassische Musik in Kiel
Gunther Strothmann hat 1977 das Sinfonieorchester Melsdorf gegründet und leitet es bis heute. Seit der Gründung 1980 leitet er den Rachmaninow-Chor Kiel. Auch das Klassikensemble Kiel geht auf seine Initiative zurück. Als Carillonneur spielt er zudem seit 1999 das Glockenspiel des Altstadt-Klosters.
Warum engagierst Du Dich?
Ich habe selbst Lust, Musik zu machen. Außerdem bin ich immer neugierig, etwas Neues kennenzulernen. Glücklicherweise ist es mir gelungen, das auch auf meine Chorleute und Musiker zu übertragen. So sind nach 3,5 Jahren Corona-Pause viele wiedergekommen.
Wie beeinflusst Dein Engagement die Gesellschaft?
Wir widmen uns eher unbekannten Werken, die sonst in Kiel nicht aufgeführt werden. Es geht darum, sich diese Musik gemeinsam zu erarbeiten. Mit klassischer Musik spricht man ja leider nur einen Teil der Gesellschaft an, aber sie hat viel zu sagen. In meinen Musikprojekten mit engagierten Amateuren schaffe ich Angebote, Werke kennenzulernen, die man selten hört.
Mit dem Rachmaninow-Chor übermittelten wir bereits zehn Jahre vor der Wiedervereinigung die Botschaft, wie hochwertig Musik aus Osteuropa ist. Über die Auswahl der Stücke können wir auch politischen Aussagen senden. So singen wir zurzeit unter anderem ukrainische Werke, damit der Krieg dort nicht vergessen wird.
Was macht das Engagement mit Dir? Glücksmomente? Besondere Erlebnisse?
Das ist wie bei jedem Musiker: Wenn ich das Gefühl habe, dass die Botschaft angekommen ist, bin ich glücklich. Es geht mir dabei nicht um mich, sondern um die Musik. Da wir alles selbst finanzieren, sind wir niemandem verpflichtet und können frei arbeiten.
Über die Jahre haben wir viele tolle Reisen unternommen, die letzte führte uns 2017 nach Tilsit in die russische Exklave Kaliningrad.
Was wünscht Du Dir für die Zukunft der Kieler Stadtgesellschaft/der Kieler*innen bezogen auf das Thema Engagement?
Ich würde mir wünschen, dass das Carillon mehr wahrgenommen wird in der Stadt. Es ist ein spezielles Instrument mit einem besonderen Klang und einmalig in Schleswig-Holstein. In Kiel gibt es darüber hinaus eine lebendige Musikszene, aber in den Kieler Medien sollte auch der klassischen Musik mehr Raum geboten werden.
Quelle: Landeshaupstadt Kiel